Fokus: Positionspapier des GKV-Spitzenverbandes für die 20. Legislaturperiode 2021-2025

Corona-Pandemie formt Rahmenbedingungen für Gesundheits- und Pflegepolitik

Eine Familie mit Tochter im Gespräch mit einer Ärztin

In der Corona-Pandemie haben sich die Stärken eines selbstverwalteten Gesundheitswesens gezeigt. Mit reaktionsschnellen und praxisnahen Lösungen haben die Kranken- und Pflegekassen essenziell zur Bewältigung der Corona-Pandemie beigetragen. Zugleich sind die Schwächen und Defizite der bestehenden Versorgungslandschaft deutlich zutage getreten. In der neuen Legislaturperiode sind die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie auszuwerten und die Lehren für die Zukunft zu ziehen. Notwendig ist eine Reform der Krankenhausversorgung hin zu mehr Spezialisierung und Kooperation. Im Rahmen einer populationsorientierten Planung der Versorgungsstrukturen sind gestufte und vernetzte Behandlungsstrukturen zu stärken. Zudem muss die Qualität der gesundheitlichen Versorgung einen größeren Stellenwert bei der Planung und der Vergütung erhalten. Die digitale Vernetzung und digitale Behandlungsmöglichkeiten sind weiter voranzubringen. Nicht zuletzt müssen die soziale und die gemeinsame Selbstverwaltung wieder gestärkt werden.

Beim Gesundheitsfonds sorgt der pandemiebedingte wirtschaftliche Einbruch für erhebliche Mindereinnahmen. Der Bund muss den erhöhten Finanzbedarf des Gesundheitsfonds für das Jahr 2022 durch ergänzende Bundesmittel ausgleichen. Die Beitragsfinanzierung muss auch künftig als zentrales Strukturelement aufrechterhalten werden. Zudem bedarf es einer Dynamisierung der Bundesbeteiligung für versicherungsfremde Leistungen. Ein angemessenes Beitragsniveau für versicherungspflichtige ALG II-Beziehende ist sicherzustellen. Außerdem muss die politisch induzierte Ausgabendynamik der letzten Jahre korrigiert werden.

Zukünftig ist eine stringente Ausrichtung der stationären Versorgungsstruktur am Bedarf der Bevölkerung erforderlich. Die Länder müssen ihrer Aufgabe bei der Investitionsfinanzierung gerecht werden. Ergänzend zum Fallpauschalensystem könnte eine Differenzierung der Fallerlöse nach Versorgungsstufen und -funktion der Krankenhäuser erfolgen. Pflegepersonaluntergrenzen sind einzuhalten und auf alle bettenführenden Abteilungen auszuweiten. Nur Krankenhäuser, die Mindestmengen und Mindestanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) an Strukturen und Prozesse erfüllen, sollten Leistungen erbringen dürfen. Hochgradig reformbedürftig ist die Notfallversorgung unter Berücksichtigung des Versorgungsbedarfs.

In Zukunft muss der kontinuierliche Austausch der medizinischen und nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe gefördert werden, um die Entwicklung von Innovationen, Kooperationen und Vernetzungen zu unterstützen. Dafür bedarf es neuer Handlungsperspektiven für eine integrative regionale gesundheitliche Versorgung. Die vertragsärztliche Vergütungssystematik ist zu stabilisieren und zukunftsfest auszugestalten. Darüber hinaus sind die Bedarfsplanung an Versorgungsnotwendigkeiten auszurichten und der Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung zu verbessern.

Das AMNOG-Verfahren bleibt ein Meilenstein für eine nutzenbasierte Patientenversorgung mit patentgeschützten Arzneimitteln. Insbesondere die rasant steigenden Preise von neu zugelassenen Arzneimitteln zeigen Handlungsbedarf auf. Gerade bei hochpreisigen Arzneimitteln mit unzureichender Datenlage ist die Preisbildung in den ersten zwölf Monaten stärker an vorliegende Evidenz und rationale Kriterien zu knüpfen. Weitere Schritte sind zur Vermeidung von Lieferengpässen und zur Verbesserung der Versorgung mit Schutzimpfungen notwendig.

Bei der Krankenhausplanung bedarf es abgestufter Möglichkeiten für die Länder, mit gezielten Maßnahmen auf unzureichende Qualität reagieren zu können. Durch den G-BA sollten bundesweit einheitliche Strukturvorgaben für die Leistungserbringung in medizinisch besonders relevanten Bereichen der Krankenhausversorgung definiert werden. Die Erprobung von neuen Behandlungsmethoden sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt noch vor der Anwendung in der flächendeckenden Versorgung erfolgen. Künftig sollte die Verantwortung für die Gestaltung innovativer Versorgungskonzepte wieder stärker den Krankenkassen übertragen werden.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Pflege birgt erhebliche Potenziale für eine qualitativ gute und wirtschaftliche gesundheitliche Versorgung. Dringend notwendig ist eine ordnungspolitische Diskussion über Rolle und Ziele der gematik: Zuständigkeiten müssen an die Selbstverwaltung zurückgegeben und eine faire Verteilung der Kosten der Digitalisierung vorgenommen werden. Wo Wettbewerb möglich ist, sollten der Markt oder die Krankenkassen diese Funktionen übernehmen. Die bisherigen Erfahrungen mit digitalen Gesundheitsanwendungen zeigen deutlichen Handlungsbedarf auf, um die Anforderungen an Nutzen, Qualität und Wirtschaftlichkeit ausreichend zu erfüllen. Zudem sind die Rahmenbedingungen für eine Datennutzung zu verbessern.

Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Im Rahmen der nationalen Präventionsstrategie bedarf es eines Schulterschlusses aller auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene verantwortlichen Akteure. Präventionsprojekte in den Regionen zu konzipieren und zu steuern, ist und bleibt eine Aufgabe der Selbstverwaltung und der Akteure vor Ort. Die Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch Beitragsgelder ist zurücknehmen. Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) hat sich als ergänzendes Angebot zu den umfassenden Beratungs- und Informationsleistungen der Krankenkassen etabliert. Hier sollte eine dauerhafte Institutionalisierung ab dem Jahr 2024 geprüft werden.

Auch in der neuen Legislaturperiode bleiben große Herausforderungen in der sozialen Pflegeversicherung bestehen. Unabdingbar ist eine langfristig solide Finanzierung der Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit. Ein steuerfinanzierter Bundeszuschuss muss zum einen die versicherungsfremden Leistungen abdecken und zum anderen für eine spürbare Entlastung der Pflegebedürftigen sorgen. Zudem müssen die Länder und Kommunen ihren finanziellen Verpflichtungen zur Absicherung der Pflegeinfrastruktur nachkommen. Zur Stärkung der Angehörigenpflege sind die Angebote zur Unterstützung und Entlastung von pflegenden Angehörigen und Pflegebedürftigen zu flexibilisieren. Die Sicherstellung der Pflege mit ausreichendem und qualifiziertem Personal ist drängender denn je.

Das subsidiär ausgerichtete Gesundheitswesen hat sich als gesamtgesellschaftlicher Stabilitätsfaktor auch in Krisenzeiten erwiesen. Dies ist ein weiterer Grund, spätestens jetzt den Mehrwert der Selbstverwaltung wieder in den Fokus zu rücken. Entgegen dem bisherigen Trend zur exekutiven Zentralisierung muss das Subsidiaritätsprinzip künftig wieder für alle Bereiche des Gesundheitswesens leitend sein. Die Rechte der Verwaltungsräte der Krankenkassen müssen deshalb wiederhergestellt und ausgebaut werden. Zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements bedarf es besserer gesetzlicher Rahmenbedingungen.

Europa spielt bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen eine zunehmend wichtige Rolle. Positiv sind die Pläne der EU, europaweit vorhandene Daten zu nutzen, um in der Forschung voranzukommen und Innovationen zu fördern. Die beschleunigte Zulassung von Arzneimitteln auf europäischer Ebene sollte unbedingt auf echte Versorgungslücken fokussieren. Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind ein europaweites Problem und bedürfen daher gemeinsamer Antworten.

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